Es gehört auch dazu etwas Selbstkritisches zu schreiben. Ich habe zwar in den letzten Jahren sehr viel Erfolg im Internetgeschäft gehabt, aber einige Dinge würde ich doch anders machen, wenn ich die Chance dazu hätte. bonus.net gehört dazu. Ich möchte Sie hier an meinen Erfahrungen und Fehlern teilhaben lassen und Ihnen anhand dieses Beispieles zeigen, wie das Internet auch den Umgang mit den Kunden verändert.
Im Jahr 2002 habe ich das Unternehmen www.bonus.net übernommen. Es gehörte vorher der Metro und danach einer neuen Investorengruppe, von denen ich es dann auch übernommen hatte. Der Name ist Programm, es geht darum dem Nutzer Einkaufsvorteile (Boni) bei mittlerweile mehr als 500 Partnern zu gewähren. Der Kunde meldet sich bei bonus.net an und geht über bonus.net zu den Partnern einkaufen. bonus.net übergibt eine eindeutige ID des Kunden an den Partner und so kann der Partner Rückerstattungen abrechnen, wenn der bonus.net-Kunde bei ihm einkauft. bonus.net wiederum rechnet dann monatlich alle Rückerstattungen mit seinen Nutzern ab und überweist das Guthaben an sie. Für diesen Service zahlt der Abonnent 5,00⬠im Monat, also 60⬠im Jahr.
Das Modell war und ist sehr erfolgreich. Ich konnte damals mit einem immensen Werbeaufwand innerhalb von 3 Monaten mehr als 120.000 Abonnenten für diesen Service gewinnen. Und da lag eine Ursache des späteren Problems. Aus Kostengründen wurden die Rechnungsläufe gesammelt gemacht, dass heiÃt es sind schon mal 30.000 Rechnungen gleichzeitig rausgegangen. Womit ich nicht gerechnet hatte, war das hohe eMail- und Telefonaufkommen. Ich hatte anfangs 10 Personen im Customer Care Center. Die waren aber völlig überfordert mit der Flut an Rückmeldungen. So konnten viele Telefonate und eMails nicht beantwortet werden, was dazu führte, dass die gleichen Leute noch mehr Mails schrieben, zu den Verbraucherzentralen gingen, die Presse informierten oder einfach nur Internetforen vollschrieben und das Problem damit noch potenzierten.
Leider waren damals die wirtschaftlichen Zwänge so groÃ, dass ich möglichst schnell die Abogebühren der Leute im Unternehmen brauchte, um die hohen Werberechnungen von mehreren Millionen Euro bezahlen zu können. So machte ich die Mahnzyklen kurz und gab die Fälle später zum Inkasso.
Um es hier noch einmal in aller Deutlichkeit zu sagen. bonus.net war und ist seriös. Der Anmeldeprozess rechtlich einwandfrei, wie uns später auch von mehreren Gerichten bestätigt wurde. Das Marketing war -zugegeben- recht aggressiv. Aber auch nicht aggressiver als das bei der Abogewinnung von Burda, Bertelsmann oder anderen Verlagen der Fall gewesen wäre.
Womit ich nicht gerechnet hatte, waren die neuen Kommunikationsmöglichkeiten des Internet. „Betroffene“ konnten sich innerhalb kurzer Zeit über das Internet verbünden. So wurden wilde Verschwörungstheorien in Internetforen entwickelt. Diese wurden wohlwollend und leider auch ungeprüft von Zeitungen und Fernsehsendern aufgenommen und so kam eine Lawine ins Rollen, die ich damals nicht stoppen konnte. Ich habe das damals einzig Richtige getan. Den Kopf eingezogen, die Prügel kassiert und bin für einige Zeit unauffällig geblieben. Das heiÃt wir hatten die Werbung für bonus.net eingestellt. Das war eine sehr harte Zeit für das Unternehmen, denn wir hatten gerade erst die Strukturen für eine starke Expansion aufgebaut. So musste ich wieder Mitarbeiter freistellen und gnadenlos Kosten senken.
Nun, was habe ich aus dieser Zeit gelernt und was würde ich anders machen?
Das Internet hat den Umgang mit Kunden entscheidend verändert. Der Nutzer ist mündig geworden. Hat man sich früher über den Abschluà des Bertelsmann Buchclub geärgert, wurde das im kleinen Familien- und Freundeskreis oder am Stammtisch ausdiskutiert. Heute ist es in Windeseile in Foren, auf Blogs oder auf Produktbewertungsseiten. Es ist wichtig geworden mit dem Kunden zu kommunizieren. Schafft man es nicht den direkten Dialog mit dem Kunden zu finden, sucht er sich seine Plattform im Internet und das ist für das Unternehmen am wenigsten zu kontrollieren.
Durch diese Veränderungen muss das Unternehmen den Dialog mit unzufriedenen Kunden suchen und für Transparenz sorgen. Natürlich muss ein Unternehmen in erster Linie bestrebt sein, dass es keine oder nur wenige unzufriedenen Kunden gibt. Aber jeder Unternehmer weiÃ, dass das Illusion ist. Es gibt immer einen gewissen Prozentsatz, der mit allem unzufrieden ist. Wichtig ist nur, wie man mit diesen Kunden umgeht.
Im Falle bonus.net war der gröÃte Fehler, die Kunden die unzufrieden waren oder behaupteten sie hätten sich nicht angemeldet, trotzdem in den Inkassovorgang zu geben. Heute weià ich, dass Kunden die nicht zahlen wollen auch Wege finden um nicht zu zahlen. Und diese unzufriedenen Kunden machen viel mehr kaputt, als es Wert wäre die offenen Forderungen von ihnen einzutreiben.
Im Falle von bonus.net waren das nur wenige Kunden. Etwa 500 bis 600 von 120.000. Das sind etwa 0,5%. Aber diese 0,5% haben das Unternehmen in schwere Bedrängnis gebracht. Es wurden in Internetforen Aufrufe gestartet Anzeige gegen bonus.net zu erstatten, zu den Verbraucherzentralen zu gehen, die Fernsehsender zu informieren. Alles mit Adressen und Musterbriefen. So war ich als Geschäftsführer nur noch auf „Nebenkriegsschauplätzen“ unterwegs und konnte mich nicht mehr um die Weiterentwicklung des Produktes kümmern.
Heute, nach etwas mehr als 4 Jahren sind noch über 10.000 Abonnenten aktiv. Diese Abonnenten zahlen seit 4 Jahren ihre Mitgliedsgebühr und nutzen das System aktiv. Für viele lohnt sich die Mitgliedschaft. Wir haben es geschafft, dass bonus.net trotz der ganzen Widrigkeiten überlebt hat und mittlerweile profitabel ist. Aber ich mag mir gar nicht vorstellen, wie erfolgreich das Unternehmen heute wäre, wenn ich damals schon die Erfahrung von heute gehabt hätte und einige Dinge anders entschieden hätte. Â
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